Die volle Packung Medienkompetenz

Unser Ferienprogramm im Kulturbahnhof Radebeul ging in der letzten Winterferienwoche 2022 in die zweite Runde. Diesmal drehte es sich nicht nur allein um Minecraft und Cybermobbing-Prävention, denn wir wollten den Teilnehmenden einen Blick über den Tellerrand hinaus ermöglichen.

Nach einem erfolgreichen ersten Anlauf 2021 und einem fertiggestellten Minecraft-Escape Room stellen sich schnell einige Fragen: Welches Thema nimmt man sich für das nächste Mal vor? Was hat beim letzten Mal gut funktioniert, was können wir besser machen? Und was ist bitte besser als einfach mehr von allem? Mehr Themen, mehr Spiele, mehr Abwechslung, mehr Möglichkeiten zum Lernen. Wir wollten diesmal tiefer in die Lebensrealität der Kinder eintauchen und weitere Spiele und Themen aufgreifen, mit denen sie bewusst und unterbewusst konfrontiert werden.

Außerdem ging es uns besonders darum, Spiele aufzugreifen und zu spielen, die vor allem im Team gespielt und gewonnen werden müssen. Vor allem FIFA 2022 und Fortnite begleiteten uns über die gesamte Woche. Denn gerade diese beiden Spiele sind unglaublich beliebt, bieten unzählige Möglichkeiten, haben aber auch negative Seiten, die beleuchtet werden müssen. Perfekte Beispiele also dafür, dass alles nicht so ganz einfach ist und wir deshalb den Kindern ein Rüstzeug an die Hand geben wollen, damit sie selbstreflektiert Entscheidungen treffen können.

Von A wie Cybermobbing bis Z wie Mediensucht

Da es sich um fast komplett andere Teilnehmende handelte, als im ersten Ferienprojekt, begannen wir damit, uns dem Thema Cybermobbing zu widmen. Denn durch den entwickelten Escape Room, hatten wir eine gute Grundlage, um spielerisch in diese Thematik einzutauchen. So konnten wir nachhaltig die Ergebnisse der ersten Projektwoche nutzen. Gleichzeitig verteilten wir den ersten roten Faden, der sich durch die ganze Woche ziehen sollte: Das Mediennutzungstagebuch. Die Kinder sollten jeden Tag aufschreiben, welches digitale Endgerät sie wie lange genutzt haben. Am letzten Tag wollen wir die Ergebnisse gemeinsam auswerten.

An jedem Tag behandelten wir einen anderen Medienkompetenz-Schwerpunkt. So ging es am zweiten Tag mit „Hate Speech“ weiter und einem browserbasierten Spiel, dass nur mit viel Aufmerksamkeit gelöst werden konnte. Innerhalb dieses Rätselspiels konnten sie anhand eines fiktiven Internetblogs erkennen, was Hate Speech ist und wie schnell sich Hassnachrichten in Kommentarspalten verbreiten können. An diesem Tag legten wir den Grundstein für unsere „Anti-Hate-Speech-Vereinbarung“, einem Regelwerk darüber, wie wir uns in der Gruppe im Internet und untereinander verhalten wollen. Dieses Regelwerk wurde von allein Teilnehmenden entwickelt und erstellt und soll nun auch fortlaufend für weitere Projekte genutzt werden.

Am dritten Tag versuchten wir den Kindern näherzubringen, wie viel Diskriminierungspotenzial im Gamingbereich steckt. Sowohl in den Spielen selbst, bei Spielern als auch bei Entwicklerstudios. Denn noch allzu oft werden Stereotype immer wieder reproduziert und unreflektiert weitergegeben. Die Kinder sollten an diesem Tag lernen, eine Perspektivübernahme zu vollziehen und erkennen, dass viele Personengruppen in Videospielen kaum oder nur klischeehaft dargestellt werden.  

Am vierten Tag widmeten wir uns dem großen Thema „Ingame-Käufe & Lootboxen“. In vielen Spielen gibt es Inhalte, die mit Echtgeld erworben werden können. Teilweise sind diese klar ersichtlich, manchmal auch zufällig. Teilweise verstecken sich die wahren Preise hinter Fantasie-Währungen, wie Coins, Diamanten oder sogenannten V-Bucks. Oft ist es für Kinder nicht klar ersichtlich, wie Entwicklerstudios Spiele mit Absicht so entwickeln, dass sie zum Kaufen von Echtgeld-Inhalten oder Lootboxen angeregt werden.

Das Sonderprojekt

In diesen fünf Tagen mussten die Kinder einige Aufgaben bewältigen. Es mussten Vereinbarungen erstellt, Plakate gebastelt, Turniere gewonnen und Denkanstöße verarbeitet werden. Sie haben sich in andere Personen hineinversetzen, Empathie zeigen und sich im Team koordinieren müssen. Doch ein Thema und die finale Abschlusspräsentation vor den Eltern stand noch aus. Wir beschäftigten uns also mit Mediensucht, griffen das Nutzungstagebuch erneut auf, lernten etwas über den teilweise schwierigen Begriff Sucht und wie man Suchtanzeichen erkennen und einordnen kann. Zum Abschluss sollten alle erstellten Inhalte den Eltern vorgestellt werden, doch keine Projektwoche kann ohne eine Sonderaufgabe leben. Einer unserer Teilnehmenden hat sich mit unserer Trainerin Ly die ganze Woche nebenbei damit beschäftigt, ein Video zu drehen und zu schneiden, um die gesamte Woche einzufangen und am Ende präsentieren zu können. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nicht nur beim Video, sondern bei allen anderen Endprodukten haben sich die Kinder über den Verlauf der Woche weiterentwickelt und viel Herzblut hineingesteckt.

Abschlussvideo Ferienprojekt im Kulturbahnhof Radebeul:

In so einer Woche zeigt sich immer wieder, wie kreativ und auch wie reflektiert Kinder bereits sein können. Sie benötigen oft nur einen Anstoß in die richtige Richtung. Es ist unabdingbar, dass sie sich mit Themen wie Cybermobbing, Diskriminierung und Suchtverhalten auseinandersetzen und diese für sich einschätzen können. Nur so können sie sich als Kinder, als Jugendliche und auch als Erwachsene reflektiert und selbstbestimmt im Internet bewegen. Und dafür wollen wir den Grundstein legen.

Ausblick

Um die Kinder weiterhin auf ihrem Weg zu einem reflektierten und selbstbestimmten Umgang im Internet zu begleiten, findet nun jeden dritten Dienstag im Monat ein Gaming-Treff statt. Hier können die Kinder aus der Umgebung zum Zocken in den Kulturbahnhof Radebeul vorbeikommen und werden medienpädagogisch von uns betreut.

Weitere Ferienprogramme sind in Aussicht in Kooperation mit dem dritten Ort Radebeul.

Ein großer Dank gilt dem dritten Ort Radebeul für die Kooperation und Unterstützung sowie den beiden Partnern, der Swiss Life Stiftung für Chancenreichtum und Zukunft und der Partnerschaft für Demokratie, für die Förderung. Ohne diese wäre das Projekt in dem Rahmen nicht möglich gewesen.

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