Pixel für Pixel gegen Cybermobbing / Block für Block gegen Cybermobbing

Von Johannes Pursche (Projektleiter Minecraft Escaperoom)

In einem einwöchigen Ferienprogramm arbeiteten 15 Kinder im Kulturbahnhof Radebeul intensiv zusammen mit uns an einem ganz speziellen Escape Room. An einem Escape Room zum Thema Cybermobbing. Ein Escape Room nur aus Pixelblöcken.

Die Leinwand ist aufgebaut. Der Beamer funktioniert. Sieben Laptops stehen nebeneinander, die Lüfter surren leise vor sich hin. Der Switch leuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Das alles klingt eher nach einer gemütlichen LAN-Party als nach einem Projekt für Cybermobbing-Prävention. Doch die 15 Kinder, die vor den Bildschirmen sitzen und sich angeregt unterhalten, sind nicht hier, um einfach nur zu zocken. In der Woche vom 25. bis zum 29. Oktober hatten sie die Aufgabe, einen Escape Room zum Thema Cybermobbing zu bauen. Wie ist es denn zu dieser ungewöhnlichen Kombination gekommen?

Die Idee

 Als die Idee für dieses Projekt entstand, war von Minecraft noch gar keine Rede. Ganz am Anfang sollte unter dem Namen „Der Mobbing Mops ist von der Leine – ein Escape Room für mehr Kompetenz im Netz“ ein tatsächlich existierender, mobiler Escape Room gebaut werden, den man immer wieder auf- und abbauen kann. Als dann Corona besonders hart wütete, mussten wir uns von der Idee verabschieden. Aber selbstverständlich hatten wir ein Ass im Ärmel. Warum nutzen wir unsere eigentliche Expertise, digitale Inhalte, nicht auch für dieses Projekt? Und so entschieden wir uns, unseren Escape Room im Spiel Minecraft zu bauen.

Denn Minecraft ist wie ein großer, virtueller Sandkasten, mit dem man fast alles bauen kann. Mit verschiedenen rechteckigen Blöcken wurden in der Minecraft-Welt schon Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten, gefüllte Bibliotheken und sogar funktionierende Taschenrechner gebaut. Also sollten wir mit der Hilfe von einigen erfahrenen Minecraft-Expert*innen doch wohl locker einen kleinen Escape Room entwerfen können.

Die Vorbereitung

„Wie baut man sowas?“ war die erste Frage, die wir uns im Team gestellt haben. Also haben wir direkt mit der Recherche begonnen, Minecraft-Accounts organisiert und uns direkt mit den Spielmechaniken auseinandergesetzt. Das Team bestand aus meiner Kollegin Ly und mir. Doch wir wurden recht schnell von unserer Praktikantin Maja und unserer Bundesfreiwilligen Josi unterstützt. Meine geschätzte Kollegin Ly hat sich dabei besonders reingehangen und einen Probe-Escape Room erstellt, den ich zusammen mit Maja testen durfte. Wir haben ihn sogar gelöst. Vielleicht mit ein wenig Hilfe. Wirklich nur ganz wenig. Na ja.

Die gesamte Woche sollte sich natürlich nicht nur um Minecraft und lustige Rätsel drehen, sondern auch das Thema Cybermobbing aufgreifen. Deshalb war es wichtig, dass wir den Kindern genug Infos an die Hand geben, damit sie dieses Thema auch in die Rätsel und in die Erstellung des Escape Rooms integrieren konnten. Ein Punkt, bei dem wir sehr lange skeptisch waren. Denn die Teilnehmenden sollten sich zum größten Teil selbst organisieren. Doch es sollte sich recht schnell herausstellen, dass unsere Skepsis unbegründet war. Inhaltlich waren wir also gerüstet. Was nun fehlte, war die technische Vorbereitung für die Woche. Das bedeutete neue Laptops kaufen, LAN-Kabel und einen Switch organisieren, planen wie viele Steckerleisten man braucht und wie lang diese sein sollten. Und am wichtigsten: Haben wir überhaupt Internet? Bei diesem Problem kam uns die Volkshochschule in Radebeul zu Hilfe. Deren Internetanschluss konnten wir nutzen, um für eine stabile und sichere Leitung für acht Laptops zu sorgen.

Nun war alles bereit. Die Koffer für unsere Arbeitsmaterialien waren gepackt, die gesamte Technik ins Auto verfrachtet und die letzten Minecraft-Tutorials wurden geguckt. Am Montagmorgen machten sich Josi, Maja und ich uns auf den Weg nach Radebeul, um alles aufzubauen. Glücklicherweise konnten wir uns auch hier wieder auf weitere helfende Hände verlassen.

Die Durchführung

Ohne die Hilfe von unserer Ansprechpartnerin des Kulturbahnhofs Edna und ihrer Tochter Frida, hätten wir es nie geschafft, die Technik rechtzeitig betriebsfähig zu machen und den Raum für unsere Gruppen herzurichten. Als dann die ersten Kinder ankamen, war alles fertig und wir konnten gut vorbereitet in die Woche starten.

Nachdem alle von uns auf das Thema eingeschworen wurde, teilten wir die Gruppe in verschiedene Teams: Die Baumeister*innen, die Konstrukteur*innen und die Rätselcrew. In unterschiedlichen Arbeitsabschnitten sollten erst die Rätsel erstellt, dann die Mechaniken konzipiert und am Ende alles bei Minecraft gebaut werden. Wie anfangs schon erwähnt, sollte es viel um Eigenwirksamkeit und selbstständiges Planen gehen. Deshalb übergaben wir die Bauleitung jemandem aus der Gruppe, der bei Diskussionen und verschiedenen Möglichkeiten letztendlich die Entscheidung haben und die einzelnen Teams unterstützen sollte. Nachdem die formelle Einführung beendet war, ließen wir alle Kinder erst einmal an die Rechner, um mit Minecraft warm zu werden und vielleicht schon erste Ideen zu testen…

Nun.

„In der ersten Testphase brach dann auch ein absolutes Chaos auf dem Server aus. Die Kinder trollten sich gegenseitig. Verbannten sich gegenseitig vom Server, was große Unruhe auslöste. Damit war eigentlich zu rechnen, oder?“

Das meint meine Kollegin Josi zum ersten Testversuch. Was fast wie Kriegsberichterstattung klingt, ist eine ziemlich präzise Beobachtung von dem wilden Treiben, das auf dem Minecraft-Server stattfand. Nach kurzer Zeit setzten wir sie wieder von den Laptops weg und sprachen über das, was gerade geschehen war. Und siehe da – innerhalb der Gruppe gab es einen großen Konsens darüber, dass man so nicht arbeiten könne und man sich besser absprechen müsse. Das hat danach dann auch deutlich besser funktioniert als es um die ersten Rätselideen und das grobe Design unseres Escape Rooms ging. Da sollten sich die Kinder etwas überlegen, was auch thematisch gut zu Cybermobbing passen könnte. Und was passt da besser als Smartphone-Apps?

Schnell waren sich alle einig, dass wir nicht nur einen Raum bauen sollten. Deshalb strukturierten wir die Teams noch einmal neu. Jedes Team, bestehend aus einer*m Baumeister*in, einer*m Konstrukteur*in und einer*m Rätselerfinder*in, war für einen Escape Room zuständig. Thematisch sollten sich diese Escape Rooms um die Apps „WhatsApp“, „Discord“, „TikTok“ und „Google“ drehen. Durch die Teamumstellung konnten sich die Kinder deutlich kreativer austoben und ihre eigenen Ideen verwirklichen. Zum Start der Bauphase meint Josi:

„In einigen Gruppen lief die Planung sehr gut, andere waren davon überzeugt, dass „probieren über studieren“ geht. Spannend war zu sehen, wie sich die Räume Tag für Tag entwickelt haben. Nicht nur baulich, sondern auch inhaltlich werteten die Kids die Räume immer weiter auf. Ebenso schön mit anzusehen war auch die Entwicklung der Teamatmosphäre. Von Tag eins, wo sich alle gegenseitig genervt haben bis zum vierten Tag, an dem sich alle gegenseitig geholfen und unterstützt haben.“

Zusätzlich führten wir unser EduBreakout zum Thema Cybermobbing durch, damit sich die Teams schon etwas kennenlernen und miteinander arbeiten konnten und überhaupt das Rüstzeug besaßen, um sich Fragen für ihre Escape Rooms zu überlegen. Beim Lösen der Rätsel waren alle Gruppen hochmotiviert. Was vielleicht auch an der prall gefüllten Schatzkiste lag, die von den Teams geöffnet werden konnte, die alle Rätsel rechtzeitig knacken konnten.

Über den Verlauf der Woche ließen wir die einzelnen Teams den größten Teil der Zeit in Ruhe bauen. Wir waren nur dafür da, um Fragen zu beantworten, einige Tipps zu geben, immer mal wieder auf das eigentliche Thema hinzuweisen und zu ausufernde Ideen wieder einzufangen. Das hat mit jedem Tag besser funktioniert und auch unser Bauleiter war dabei eine große Hilfe, der sich um alle Teams gekümmert hat und sich zusätzlich noch sehr gut mit den Minecraft-Mechaniken auskannte.

Am letzten Tag ging es um den Feinschliff. Ist jeder Block dort, wo er sein soll? Funktionieren die Rätsel? Sind alle Mechaniken getestet? Stimmt überall die Rechtschreibung (fast das größte Problem)? Gemeinsam spielten wir die einzelnen Räume und die anderen Teams konnten Feedback geben, wenn eventuell noch etwas geändert werden sollte.

Am Ende wurden alle Räume rechtzeitig fertig. Es war sogar noch Zeit dafür da, um sich eine Story zu überlegen, eine Hub-Welt und sogar einen imposanten finalen Raum zu bauen. Nun brauchten wir nur noch jemanden, den wir in unsere Escape Rooms schicken konnten.

Die Präsentation

Als alles fertig war, bereiteten wir den Raum für die geplante Abschlusspräsentation vor, bei der Eltern, Geschwister, Freund*innen und auch neugierige Passanten die Escape Rooms ausprobieren konnten. Dabei sollten unsere, mittlerweile erfahrenen, Minecraft-Kids mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Sowohl die Kinder als auch die Eltern schienen wirklich Spaß gehabt zu haben.“ meint Josi. Genau so sah es für mich auch aus. Für mich war es ein krönender Abschluss zu sehen, wie selbst die Großeltern unbedingt wissen wollten, was es mit dieser einen Lore zu tun hat und ihren Enkeln Löcher in den Bauch gefragt haben.

Schlussendlich haben unsere Teams alle sicher durch die verschiedenen Escape Rooms gebracht, die teilweise gar nicht so einfach zu lösen waren. In jedem Escape Room gab es verschiedene Rätsel, für die man am Ende einen Keks bekam. Nach allen vier Räumen konnte man vier Kekse gegen einen Schlüssel eintauschen. Mit diesem Schlüssel konnte man die Tür zum finalen Raum öffnen, zu dem man über einen Wasserfallfahrstuhl (der bei der Konstruktion viele Nerven gekostet hat) gelangte. Dieser Raum befand sich ganz oben in der Luft, dadurch konnte man sich alle Räume noch einmal von außen anschauen. Außerdem sollte der letzte Raum die „Klicksafe“-Cybermobbing-App darstellen.

Überall waren Truhen verteilt mit nützlichen und wichtigen Informationen zum Thema Cybermobbing. Den Kindern und uns war es von Anfang an wichtig, dass wir das ganze Abenteuer, gerade bei einem so schweren Thema, auf einer positiven Note enden lassen wollten. So sollten auch die Eltern, Großeltern, Verwandte, Freund*innen und anwesende Passanten lernen: Cybermobbing ist schlimm, aber du kannst etwas dagegen unternehmen.

Die Förderung

So ein großes Projekt setzt uns erst einmal vor eine Herausforderung. Doch durch die umfangreiche Unterstützung der Deutsche Telekom Stiftung konnten wir das Projekt zusammen mit dem Familienzentrum Radebeul auf die Beine stellen. Zusätzlich haben wir uns während der Planung für technische Fragen immer an die Volkshochschule Radebeul und die HABA Digitalwerkstatt Leipzig wenden können. 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die das Projekt mit uns ermöglicht haben.

Dir hat der Beitrag gefallen, dann teile ihn: