„Du bist doch süchtig!“
Diesen Satz haben vermutlich viele Jugendliche schon einmal gehört, wenn es um ihren Medienkonsum ging. Heutzutage sind die sozialen Medien und die Spiele meist immer dabei, eine Trennung von „online“ und „offline“ wird immer schwieriger. Aktuell sind wir in mehreren Workshops speziell zum Thema „Sucht“ unterwegs und machen Schülern in Dresden und Coswig ihren Medienkonsum bewusst. Das Thema Mediensucht ist aktueller denn je, über 600.000 Jugendliche in Deutschland sind abhängig. Aber wann muss man sich tatsächlich Sorgen machen, und was kann man tun, um vorzubeugen?
Wie entsteht die Abhängigkeit?
„Mediensucht“ und „Internetsucht“ sind weder als Begriffe eindeutig definiert noch als Erkrankungen anerkannt. Die American Psychiatric Association APA definierte 2013 lediglich eine Computerspielsucht „Internet Gaming Disorder“. Die Einzelheiten aller anderen Phänomene seien nicht ausreichend untersucht.
Besonders von Mediensucht gefährdet sind laut SCHAU-HIN.de unter anderem schüchterne Menschen mit Bedürfnis nach sozialer Interaktion, stressanfällige Menschen, Menschen mit einem Hang zur Prokrastination oder mit persönlichen Problemen, die sie nicht anders bewältigen können. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche, die unter sozialem Stress stehen, vorübergehend eine Sucht oder ein suchtähnliches Verhalten entwickeln.
Dabei kann ein Phänomen namens „FOMO“ eine wichtige Rolle spielen. Die „Fear Of Missing Out“, die Angst, etwas zu verpassen, sorgt dafür, dass regelmäßig kontrolliert werden muss, ob es etwas Neues gibt. Die Folge ist ein Bewusstseinsverlust für die Dauer der eigenen Handynutzung, da man immer und immer wieder „nur mal kurz“ zum Smartphone greift. Die Grundlagen für dieses Verhalten liegen in der menschlichen Natur. Spiele und Netzwerke bieten Belohnungen an, die das Selbstwertgefühl vorübergehend verbessern können. Man schaut immer wieder aufs Handy, und wenn eine neue Benachrichtigung aufploppt, freut man sich oft darüber – wieder ein Like, eine neue Nachricht, ein Level-Up. Man lernt, sein Handy immer wieder zu kontrollieren, um immer wieder Belohnungen zu bekommen. Sich über online-Errungenschaften zu freuen, ist dabei zunächst nicht problematisch. Doch wenn Personen und Verantwortlichkeiten im offline-Leben vernachlässigt werden, beginnt oft ein selbstverstärkender Kreislauf: Wer Kontakt zu Freunden verliert und schlechter in der Schule wird, flüchtet sich noch lieber ins Netz. Mit mehr Zeit dort kann man das eigene Image pflegen und fühlt sich wohler. Das bewirkt, dass noch weniger Zeit ins Offline-Leben investiert wird und so weiter.
Woran erkennt man, ob jemand betroffen ist?
Tatsächlich müssen viele Faktoren zusammenkommen, damit tatsächlich von einer Sucht gesprochen werden kann. „Der sitzt ständig vorm Rechner“ oder „Sie kann das Smartphone gar nicht mehr aus der Hand legen“ gelten nicht als alleinige Kriterien, die eine Mediensucht ausmachen. SCHAU-HIN nennt als Faktoren, die dauerhaft eintreffen müssen, unter anderem:
- „Vernachlässigung von privaten und gesellschaftlichen Verantwortungen
- negative Konsequenzen für private Beziehungen
- Körperliche Einschränkungen wie Haltungsschäden aufgrund von Bewegungsmangel[…]“
Wie kann ich gegen Sucht tun?
Ein erster Schritt zur Bewusstmachung des Konsums kann ein Nutzungstagebuch sein, das entweder Manuell oder automatisch und Digital die Nutzungszeiten aufzeichnet. Die Ergebnisse sind oft überraschend.
Möchte man seinen Medienkonsum einschränken, ist es wichtig, für die Nutzung einen Rahmen zu schaffen. Dies kann zum Beispiel mithilfe von vereinbarten oder selbst festgelegten Nutzungszeiten pro Woche und Tag geschehen. Vor allem aber sollte man auf gerichtete Nutzung achten: Man nimmt sich etwas vor, wie z.B. bestimmte Videos zu schauen, im Spiel das nächste Level zu erreichen oder ein Video zu schneiden. Hat man seine geplanten Aktivitäten erledigt, kann man leichter auch wieder mit der Mediennutzung aufhören.

Für Eltern gilt: Seien sie ihren Kindern ein Vorbild! Vereinbaren Sie gemeinsame Auszeiten und Orte, an denen das Handy tabu ist, z.B. am Essenstisch. Stellen Sie gemeinsam Regeln auf, an die Sie sich auch gemeinsam halten können. Seien sie bei der Zeitlichen Nutzung tolerant: erinnern sie vor Ablauf der Zeit daran, wie lange noch gespielt werden darf und lassen sie zu, dass z.B. noch der nächste „Checkpoint“ erreicht wird, an dem das Spiel gespeichert werden kann, um unnötige Frustration zu vermeiden.
Der Begriff „Sucht“ wird schnell in den Mund genommen und führt zu Verunsicherung bei Mediennutzern jeden Alters. Ob tatsächlich eine Sucht vorliegt, ist nicht leicht zu bestimmen. Fest steht: Sobald die exzessive Mediennutzung das Leben beeinträchtigt, sollte sachlich und überlegt eingegriffen werden – bei sich selbst genauso wie bei den eigenen Kindern.