Der Schulunterricht muss sich verändern | Digitale Medienbildung

Im Vorfeld des Medienfestival 2018 in Dresden (10. und 11. November), lud das Medienkulturzentrum Lehrerinnen, Lehrer und Medienpädagogische Organisationen zu einer Weiterbildung ein. Folgend ein Erfahrungsbericht von unserem Trainer Marcel, unter anderem zum Einsatz von Games im Unterricht, dem Aufbrechen des Frontalunterrichts und den noch fehlenden Perspektiven der schulischen Bildung.

 

Fortbildung und Fachbesuchertag: „Apps, Games, Coding – Medienbildung in Fachunterricht und Schule“

Die Fortbildung bestätigte meine Erkenntnisse und Erfahrungen der letzten Wochen. Unser Bildungssystem ist nicht zukunftsfähig, arg unflexibel und verfehlt gleich zwei wesentliche Ziele, um Schülerinnen und Schüler für die vernetze, digitale Welt vorzubereiten.

Erfahrungsbericht Marcel Burghardt

  1. Ziel Vermittlung von Zukunftskompetenzen: Um in einer vernetzten, sich rasant verändernden Welt selbstwirksam und erfolgreich zu sein, benötigen Schülerinnen und Schüler mehr als nur Wissen. Wissen ist der Grundbaustein, aber vielmehr geht es um die Anwendung und Verknüpfung mit kreativen, sozialen sowie lebens- und umsetzungspraktischen Kompetenzen. Die Schulbildung allerdings schränkt kreatives Arbeiten ein, lässt kaum ein aktiv werden der Schüler zu und geht zu wenig auf Verantwortung, Werte sowie Nachhaltigkeit ein.
  2. Ziel Freunde am Lernen schaffen und erhalten: Das deutsche Bildungssystem ist ein System der Furcht. Schüler fürchten sich Fehler zu machen, Schwächen werden bestraft, Potentiale können sich nicht entfalten. Lehrerinnen und Lehrer hängen im System fest, haben kaum Freiräume zu experimentieren. Das Ziel sollte aber sein Stärken zu stärken, um Potentiale entfalten zu können und einen Navigationskompass, in einer immer schneller werdenden Welt, zu entwickeln. Unterrichtsstoff sollte gemeinsam und mit Leidenschaft von den Schülern erarbeitet werden – Beziehungslernen wird wichtiger. Der Lehrer sollte in die Rolle des Lernbegleiters und Coaches wechseln, statt sich weiter als Pächter von Fachwissen zu begreifen, welches leicht zugänglich im Internet zu finden ist.

Die Liste ließe sich weiter fortsetzen, aber ich denke die Dringlichkeit und die Probleme des Schulsystems sind bekannt. Digitalisierung verschlimmert die Probleme nicht, sie zeigt uns nur deutlicher auf wie verheerend veraltet unser Bildungssystem ist und dass „Tablets für jede Schule“ nicht die Allheillösung sein kann.

 

Digitale Medien, digitale Bildung

Nun zum eigentlichen Erfahrungsbericht und Rückblick auf die Veranstaltung. Die, soviel sei vorweg gesagt, großartige Einführung von Jürgen Ertelt (jugend.beteiligen.jetzt) eröffnete die Bandbreite an Möglichkeiten den Schulunterricht interaktiver und partizipativer zu gestalten.

Die 4K der Unterrichtsgestaltung

4K-Modell

Kommunikation (Grundlage)

Kreativität (Kreativer Austausch, kreative Lösungsfindung)

Kollaboration (Zusammenarbeit, gemeinschaftlich Lösungen entwickeln)

Kritisches Denken

Die vier zunächst plakativ klingenden Begriffe stehen für ein Grundverständnis wie Unterricht in der Schule geprägt sein und ablaufen sollte.

 

 

Ziele und Prinzipien

Jürgen Ertelt stellte zwei Ziele in den Mittelpunkt, welche das Bildungssystem und damit der Schulunterricht fokussieren sollte:

  1. Bildung für die digitale Transformation der Gesellschaft
  2. Bildung für eine bessere Welt

Diese untermauerte er durch die Prinzipien:

  • Rollen im Lernverhältnis verändern sich durch erweiterte Kommunikationsoptionen
  • Mediale Mobilität verändert Lernerfahrung (durch das Smartphone kann ich überall und in beliebigen Formaten lernen)
  • Projektorientierung statt 45-Minuten Unterricht

 

Haltung und Rolle

„Es geht nicht um Medien, sondern was wir damit machen und erreichen wollen.“ – Jürgen Ertelt

Schülerinnen und Schüler sollen ihre Interessen kommunizieren können, es geht nicht um die Vermittlung wie ein Gerät funktioniert, sondern um grundlegende Medienkompetenz. Durch die Stärkung der Medienkompetenz sind die oben genannten Ziele erreichbar. Damit einhergeht, dass sich das Rollenbild des Lehrers weiterentwickeln muss.

Medienkompetenz

Möglichkeiten durch ausgeprägtere Medienkompetenz:

Beteiligung

  • Mehr gesellschaftliche Partizipation und Gestaltung
  • Mehr gesellschaftliche Öffentlichkeit (multimedial)
  • Empowerment

Inklusion

  • Medien helfen multimedial bei der Übersetzung vom Informationen und Botschaften

Demokratiestärkung

  • Recherche und Aufbereitung von validen Informationen
  • Praxis der argumentative Auseinandersetzung wird geübt
  • Selbstwirksamkeitserfahrungen und digtiales Engagement

Aneignung von Welt und umfassenden Erfahrungen

  • Coden, Hacken, Making und Games (Diskussion, die dabei entsteht ist ungemein wertvoll)
  • Barcamps von Schülern für Schüler z.B. Webdays in Mannheim
  • Design Thinking
  • Unternehmergeist fördern

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten den klassischen Schulunterricht durch digitale Medien, partizipative Formate und kreative Möglichkeiten zu erweitern. Wichtig ist eine Veränderung im Denken: „Smartphones nutzen, statt Handyverbote, um Potentiale zu entfalten.“ – Jürgen Ertelt

Zusammenfassend: Es war eine inhaltlich und visuell toll gestaltete Präsentation über Ziele, Haltung und Möglichkeiten zur Veränderung des Schulunterrichts. Einer muss den Anfang machen, warum nicht wir?

 

Ethik und Games: Anregungen für den Unterricht

Ich besuchte den dritten von vier parallel stattfinden Workshops, die nach dem Eröffnungsvortrag stattfanden. Jürgen Sleegers vom Institut für Medienforschung und Medienpädagogik an der TH Köln zeigte praktische Beispiel für die Anwendung von digitalen Spielen im Unterricht. Das erstreckte sich von einem USK-Bingo, über ein pazifistisches Spiel mit einer Prise schwarzen Humor zu Augmented Reality Möglichkeiten um Geschichten zu erzählen.

Ethik und Games

Digitale Spiele sind fester Bestandteil der Lebenskultur junger Menschen, entweder sie spielen selbst oder schauen Let’s Plays über YouTube. Werden diese Spiele in den Unterrichtskontext eingebettet ergeben sich eine Vielzahl von Potentialen.

 

Welche Vorteile haben Games im Unterricht

  • Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrer Lebenswelt abgeholt
  • Spiele aktivieren und helfen den Schülern sich selbstwirksam zu erleben und als Experten anerkannt zu werden
  • Den Schüler wird ein Gestaltungsraum gegeben, der über die Realität hinaus geht und kreative Fähigkeiten sowie flexibles Denken fördert
  • Teamplay wird geübt
  • Es wird ein Zugang zu vielfältigen Themen ermöglicht, die Schüler sonst ggf. nicht weiterverfolgen würden
  • Ein kritisch-reflexiver und sozialverantwortlicher Umgang mit digitalen Medien wird geebnet

Digitale Spiele im Unterricht

Jürgen Sleegers sprach den anwesenden Lehrinnen und Lehrern Mut zu, das Thema an einer Stelle zu packen, wo die eigenen Interessen liegen. Weiterhin betonte er wie wichtig und hilfreich es ist, die Schüler in den Prozess einzubinden. Diese kennen die digitalen Spiele am besten und können gemeinsam mit dem Lehrer Formate entwickeln, die zu einem aktivierenden und lernfreundlichen Unterricht führen.

 

 

 

Ich bin gespannt auf eure Meinungen, diskutiert gern mit – welche Notwendigkeiten seht ihr für Veränderungen in der Bildungslandschaft? Welche Möglichkeiten habt ihr bereits erprobt den klassischen Schulunterricht weiterzuentwickeln? Ich freue mich auf die Veränderung.

 

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